3. Juni 2025
Wie unsere innere Landkarte unsere Wirklichkeit prägt
Sonntagabend, kurz nach acht. Ich saß im Zug in Köln, bereit zur Abfahrt. Der Bahnsteig draußen war leer, die Luft im Waggon still und schwer von dieser typischen End-of-the-week-Stimmung. Die Menschen um mich herum wirkten müde, manche sahen aus dem Fenster, andere schauten auf ihre Handys.
In der Reihe neben mir saß ein Jugendlicher, vielleicht 17 oder 18. Kapuze tief ins Gesicht gezogen, ein Bein ausgestreckt über den Gang, das Handy zwischen Schulter und Ohr geklemmt. Die Gesprächsfetzen, die ich hörte, klangen frustriert. Offenbar hatte er seinen vorherigen Zug verpasst – sein Ton gereizt, seine Stimmung gereizter.
Kurz vor Abfahrt betrat ein junger, offenbar obdachloser Mann den Waggon. Höflich fragte er die Passagiere nach etwas Kleingeld. Ein paar Leute gaben ihm etwas Kleingeld, ein Großteil beachtete ihn gar nicht. Der Jugendliche schien ihn nicht zu bemerken – er war im Gespräch mit seinem Freund versunken.
Kaum war der Mann wieder draußen, hörte ich den jungen Mann neben mir sagen:
„Niemand hat so viel Pech wie ich.“
Ich will ihn nicht verurteilen. Ich weiß nicht, was hinter ihm lag, was ihn beschäftigte oder was sein Tag ihm abverlangt hatte. Und doch war es ein Moment, der mich nachdenklich gemacht hat. Denn er zeigt – ganz ohne Schuld oder Bewertung – etwas sehr Menschliches: Wie sehr wir manchmal in unserer eigenen Welt leben. Wie sehr unsere Wahrnehmung, unsere Gefühle, unsere Gedanken beeinflussen, was wir sehen – und was nicht.
Und genau hier zeigt sich, was ich in meiner Arbeit immer wieder erlebe:
„The map is not the territory.“
Unsere innere Landkarte ist nicht das Abbild der Realität. Sie ist unsere ganz persönliche Auslegung davon – und sie entscheidet, wie wir fühlen, was wir wahrnehmen und wie wir handeln.
Die Idee stammt ursprünglich aus dem Konstruktivismus und wurde unter anderem im NLP weiterentwickelt. Sie besagt: Wir nehmen die Welt nicht objektiv wahr. Unsere Realität entsteht in unserem Inneren – aus Erfahrungen, Bewertungen, Erinnerungen, Überzeugungen, Ängsten und Wünschen. All das formt unsere sogenannte innere Landkarte.
Sie ist wie ein Filter, durch den wir die Welt betrachten – und sie erklärt, warum zwei Menschen dieselbe Situation komplett unterschiedlich erleben können.
Diese Karte entsteht nicht zufällig. Sie wird gezeichnet von unserer Kindheit, unserer Kultur, unserer Biografie – und von den Bedeutungen, die wir bestimmten Ereignissen geben. Sie hilft uns, uns in der Welt zu orientieren. Aber sie kann uns auch in Denk- und Beziehungsmustern festhalten, die längst nicht mehr dienlich sind.
Ein Zitat, das mich sehr begleitet – und auf das mich kürzlich eine Freundin wieder hingewiesen hat – stammt von Dami Charf:
„Gefühle sind immer echt – aber nicht immer real.“
Unsere Gefühle sind wahr. Sie sind spürbar, kraftvoll und unmittelbar. Aber sie zeigen nicht immer das, was gerade tatsächlich passiert. Sie können auch eine Erinnerung an frühere Erfahrungen sein. Eine Reaktion auf alte Wunden. Oder eine emotionale Interpretation dessen, was wir glauben zu sehen.
Wenn wir uns dessen bewusst sind, gewinnen wir einen entscheidenden Handlungsspielraum: Wir können innehalten, reflektieren – und vielleicht eine neue Perspektive einnehmen.
Ein paar Fragen, die du dir stellen kannst:
Das Betrachten der eigenen „Landkarte“ bedeutet, in den Spiegel zu schauen – liebevoll, ehrlich und mit dem Mut, neue Wege einzuzeichnen.
Im Einzelcoaching arbeite ich gezielt mit dem Konzept der inneren Landkarte, um emotionale Reaktionen, festgefahrene Muster oder unbewusste Selbstbilder sichtbar zu machen.
Ein Beispiel: Eine Klientin fühlt sich bei Feedback immer sofort persönlich angegriffen – obwohl es sachlich gemeint ist. Ihre innere Karte zeigt: „Ich muss perfekt sein, sonst bin ich nicht genug.“ Sobald wir diese tief verankerte Überzeugung erkennen und hinterfragen, entsteht Raum. Raum für neue Selbstwahrnehmung. Für Selbstmitgefühl. Für andere Reaktionen.
Die Arbeit mit der inneren Landkarte unterstützt dich dabei:
In Teams treffen viele Landkarten aufeinander – und oft wird das nicht ausgesprochen. Missverständnisse entstehen, weil Verhalten unterschiedlich interpretiert wird.
Ein Beispiel: Eine Mitarbeiterin zieht sich bei Druck zurück, ein Kollege geht in die Offensive. Beide bewerten das Verhalten des anderen negativ – ohne zu erkennen, dass sie nur unterschiedliche Strategien auf ihrer Landkarte nutzen, um mit Unsicherheit umzugehen.
In Teamcoachings arbeite ich mit dem Modell, um:
Es geht nicht darum, alle auf eine Linie zu bringen – sondern darum, sich gegenseitig besser zu verstehen, ohne sich zu verlieren.
In Paaren treffen oft sehr unterschiedliche emotionale Karten aufeinander. Was die eine Person als liebevoll empfindet, wirkt auf die andere kontrollierend. Rückzug wird als Ablehnung gelesen. Kritik als Angriff. Dabei sehen beide die Welt nicht falsch – sie sehen sie einfach durch verschiedene Linsen.
Mit dem Modell der inneren Landkarte unterstütze ich Paare dabei:
Verstehen beginnt oft dort, wo wir erkennen, dass der/die andere die Welt nicht gegen uns anders erlebt – sondern einfach aus einem anderen inneren Koordinatensystem heraus.
Wenn du spürst, dass du etwas in deinem Denken, Fühlen oder Handeln neu betrachten möchtest, begleite ich dich gern. Wenn ihr als Team wachsen oder Paar mehr Verbindung und Verständigung sucht, schaffen wir gemeinsam den Raum dafür.
Ich biete dir ein kostenloses Erstgespräch an, in dem wir gemeinsam schauen, was du brauchst – und ob wir zusammen losgehen wollen.
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Ich freue mich darauf, von dir zu hören.
Fabienne
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